Mit mehr Planbarkeit zum Facharzt

Eine Initiative an der RoMed Klinik Wasserburg geht beim Thema Ausbildung für junge ÄrztInnen neue Wege.

"Das wollte ich besser organisieren!"

Eine Initiative an der RoMed Klinik Wasserburg geht beim Thema Ausbildung für junge ÄrztInnen neue Wege.

Dr. Julia Härtl ist Oberärztin in der Gefäßchirurgie an der RoMed Klinik Wasserburg. Schon während ihrer eigenen Ausbildung setzte sich die Mutter dreier Kinder dafür ein, dass die Weiterbildung zur Fachärztin bzw. zum Facharzt mehr Struktur und Planbarkeit bekommt. Sie engagiert sich seit langem in der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG e.V.), war dort eine Legislaturperiode lang Vorstandsmitglied und ist Mitglied im Verein Die Chirurginnen e.V. sowie im Berufsverband Deutsche Chirurgie (BDC), engagiert u.a. für das Thema Ausbildung.
Ruslan Lesovoi hat bedingt durch seinen Migrationsweg nach dem Grundstudium vier Jahre in seinen Beruf investiert, ohne dass die Zeit anrechenbar war. Davon zwei Jahre Facharztausbildung zum Unfallchirurgen in seinem Heimatland Weißrussland und zwei Jahre Praxis in Deutschland. Inzwischen hat er die in Deutschland für den Facharzt notwendigen Voraussetzungen geschaffen, die Approbation sowie den Sprachnachweis. Bei RoMed ist er nun mit viel praktischer Erfahrung, aber formal nochmals bei null in die Weiterbildung zum Facharzt gestartet. Warum Dr. Härtl mehr Fairness und Qualität in dieser entscheidenden Phase der Arzt-Ausbildung für unverzichtbar hält und einen echten Wettbewerbsvorteil für Kliniken sieht, neu zu denken, darüber sprechen wir mit ihr und ihrem jungen Kollegen.

Frau Dr. Härtl, die Ausbildung für junge ÄrztInnen ist ein langer und komplexer Weg, für den es enormen Willen und Durchhaltevermögen braucht. Wie leicht ist Ihnen das gefallen?

Dr. Härtl: Mein Weg als Frau in der Chirurgie ist sicherlich exemplarisch für den vieler Kolleginnen in eine Männerdomäne. Man braucht auf der persönlichen Ebene das Quäntchen mehr Beharrlichkeit, muss mit Niederlagen umgehen können und man muss heute leider immer noch Despektierlichkeiten weglächeln. Fachlich muss man natürlich auf Augenhöhe mitspielen. Und des Öfteren besser sein.

War Ihnen immer klar, dass die Chirurgie Ihr Weg ist?

Nein, anfangs überhaupt nicht. Bis ich das erste Mal im OP war. Das hat mich unglaublich fasziniert, einen Körper von innen zu sehen. Und direkt einzugreifen. Auch nicht klar war, welches chirurgische Fach ich wählen würde. Ursprünglich wollte ich in die Unfallchirurgie. Nur braucht man da manchmal etwas körperliche Kraft. Damals war ich auch in der Gefäßchirurgie eingesetzt und diese OPs haben mir sehr viel Spaß gemacht, alles ganz klein und fein. Die KollegInnen dort waren alle sehr nett, sie haben mir von der Persönlichkeit her viel mehr entsprochen und was sie fachlich gemacht haben, fand ich hochspannend. Deswegen habe ich mich für die Gefäßchirurgie entschieden.

Wir wollen uns darüber unterhalten, warum Sie heute die Facharztausbildung neu denken.
Dazu müssen wir jedoch erst mal verstehen, wie man eigentlich FachärztIn wird?

Das Medizinstudium dauert mindestens sechs Jahre oder etwas länger. Nach dem letzten Staatsexamen und dem Erhalt der Approbation darf man dann als Assistenzärztin bzw. als Assistenzarzt praktizieren. Die Ausbildung zum Facharzt dauert je nach Fachrichtung noch mal etwa fünf bis sieben Jahre. Sie basiert auf dem Katalog der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer für das jeweilige Fach und bezieht etliche Bereiche der Medizin interdisziplinär mit ein, wie beispielsweise die Notfallversorgung, damit eine gute Qualität gewährleistet ist. Auf dem Weg zur Fachärztin bzw. zum Facharzt in der Chirurgie müssen anfangs erst einmal ganz allgemeine Inhalte und Kenntnisse erworben werden. Also: wie halte ich einen Nadelhalter, wie nähe ich eine Platzwunde, wie assistiere ich bei einer OP usw. Dazu kommen danach weitere spezielle Inhalte für das jeweilige chirurgische Fach, in meinem Fall die Gefäßchirurgie. Dort lernt man dann schrittweise die fachspezifischen Erkrankungen, Eingriffe, Behandlungen und die Diagnostik.

Sie haben gleichzeitig mit Ihrem Mann mit der Weiterbildung zum Facharzt in der Gefäßchirurgie begonnen. Hatten Sie einen Ablaufplan in den Händen und wussten Sie, wann Sie fertig werden?

Das wäre schön gewesen. Aber Nein. In der Regel ist es so, dass die Weiterbildungsbefugnisse bei den Chefärzten liegen, sowie die Planungshoheit, wann welcher Assistenzarzt in welchem Bereich eingesetzt wird. Teilweise delegiert er sie an die OberärztInnen. Eine Einteilung folgt dabei nicht unbedingt einer nachvollziehbaren Logik. Von Transparenz und Planbarkeit ganz zu schweigen. Im Gegenteil, oft ist die Einteilung in der Praxis willkürlich und kurz vorher angekündigt. So nach dem Motto: „Übrigens, ab nächstem Monat bist Du da und da, heute machst Du diesen und jenen Eingriff“, oder aber: „Nein, für den Arbeitsbereich musst Du noch ein halbes Jahr warten, weil beispielsweise auf der Intensivstation nur eine Assistenzstelle bereitsteht und die ist als Nadelöhr leider Monate im Voraus ausgebucht.“

Frustriert das nicht total und bringt Unruhe in den Ziellauf so einer ohnehin schon sehr fordernden Ausbildung?

Definitiv. Aber das wesentliche Problem daran ist, dass es eine unmittelbare Auswirkung auf die Zeit hat, die Sie bis zu Ihrem finalen Berufstitel, den Facharzt, brauchen. Außerdem entscheiden auch persönliche Faktoren darüber. Sind Sie beispielsweise eine Frau in der Chirurgie, dann werden Sie leider auch heute noch oft erst nach den Männern drankommen. So passiert es, dass Sie Ihre Facharztweiterbildung gleichzeitig beginnen, gleich gut sind, und - wie bei meinem Mann und mir geschehen - ein Jahr später fertig werden. Das sollte heute wirklich nicht mehr sein und ich wollte das später in meinem Bereich mal besser organisieren!

Sie sind bereits während Ihrer Facharztausbildung für mehr Planbarkeit in der Ausbildung eingetreten und haben das Thema auch offensiv auf Kongressen und in verschiedenen Gremien vertreten. Was hat sich seither getan?

Ich denke, es hat eine neue Sensibilisierung gegeben, die mehr dem neuen Zeitgeist entspricht. Wir reden bei AssistenzärztInnen über die Lebensphase mit Ende Zwanzig, Anfang Dreißig, wo man manchmal bereits Beruf und Familie unter einen Hut kriegen muss. Beide Partner wollen sich an der Care-Arbeit beteiligen. Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß, Rahmenbedingungen aufrecht zu erhalten, die diese Lebenswirklichkeit nicht berücksichtigen. Heute bin ich als Oberärztin selbst für die Planung der Ausbildung und die Einteilung der AssistenzärztInnen zuständig und meine oberste Prämisse ist es, da Augenhöhe, Planbarkeit und Vereinbarkeit reinzubringen.

Wie genau sieht das in der Praxis aus?

Ich habe mit meinen Kollegen, Dr. Helmut Wegmann, Chefarzt der Unfallchirurgie, meinem Mann, Dr. Felix Härtl, Chefarzt der Gefäßchirurgie, beide bei RoMed in Wasserburg, sowie mit Dr. Florian Herrle, Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie bei RoMed in Prien und Wasserburg, einen Plan für die Rotationseinteilung der AssistentInnen für die nächsten drei Jahre erstellt und ein kompetenzbasiertes Ausbildungskonzept gemacht, an das wir uns gemeinsam halten. Damit denken wir langfristig, geben den AssistentInnen Planungssicherheit und die Möglichkeit, auch etwas bei uns einzufordern. Gleichzeitig haben wir einen Überblick darüber, wer in welchem Bereich schon die notwendigen Kompetenzen erworben hat und ob wir jemandem anspruchsvollere Aufgaben zutrauen können. Das steigert für beide Seiten Sicherheit und Qualität. Struktur und Zeitmanagement sind ein echter Punktsieg für Kliniken, um junge KollegInnen für sich zu gewinnen.

Herr Lesovoi, Sie wohnen nach Ihrem langen Weg inzwischen in München, warum haben Sie sich für RoMed Wasserburg entschieden?

Lesovoi: Ich habe mir verschiedene Kliniken in München und Umgebung angesehen. Tatsächlich war es in Wasserburg ein außergewöhnliches Vorstellungsgespräch. Ich habe mich nicht nur ernstgenommen gefühlt bei der Realisierung meines Berufszieles, ich habe von Frau Dr. Härtl auch einen Plan bekommen, wie und wann ich entlang des Leistungskatalogs für den Facharzt Unfallchirurgie in den verschiedenen Bereichen eingesetzt werde. Und das war natürlich bei meiner Historie ein entscheidender Faktor. Denn ich weiß schon heute: wenn ich das jetzt in der Regelzeit schaffe, was mit ein bisschen Glück durch meine vorausgegangenen Erfahrungen möglich ist, dann bin ich 2029 endlich Facharzt für Unfallchirurgie.

Was raten Sie jungen Menschen, die sich für Medizin interessieren?

Lesovoi: Medizin ist ein Lebensstil, das musst Du mit ganzem Herzen wollen! Dann schaffst Du das auch, egal was kommt. Es gibt nicht viele Länder, in denen Medizin auf diesem Niveau möglich ist wie in Deutschland und in denen die Berufschancen so positiv sind, auch weil MedizinerInnen dringend gesucht werden. Ich würde jedem sagen, mach es!
Dr. Härtl: Leider braucht man aktuell noch ein sehr gutes Abitur, um Medizin zu studieren. Aber es gibt viele interessante Berufe innerhalb der Medizin, die hochqualifiziert und exzellent bezahlt sind. Sie sind über den berufsbildenden Weg erreichbar und ermöglichen ein späteres Medizinstudium. Wer sich für Medizin interessiert, sucht sich am besten bereits früh entsprechende Praktika, um zu erleben, wie die Berufspraxis aussieht. Denn gerade im Krankenhaus ist die Arbeit mit den PatientInnen ganz anders und viel schöner, als man es sich zunächst vorstellt. Für mich ist es ein zu tiefst befriedigender Beruf, den ich jederzeit wieder ergreifen würde!

Danke, Frau Dr. Härtl und Herr Lesovoi

Komm ins Team. Für die Region.


 

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